Der Ballen, der ein Knochen ist

Der Hallux valgus, auch Krummzehe, plagt vor allem Frauen – spitze Schuhe verschlimmern das Leiden

Von Gudrun Schankweiler-Ziermann
Rotenburg. Eine wöchentliche Fußsprechstunde gibt es ganz neu im Kreiskrankenhaus Rotenburg. Sie bietet sich als Anlaufstelle für die vielen Menschen an, die sich mit Fußproblemen plagen. Zu der am weitesten verbreiteten Fehlbildung am Fuß gehört der so genannte Hallux valgus, auch Hammerzehen sind weit verbreitet. Wir sprachen mit Oberarzt Andreas Schmidt über den Hallux valgus, auch Krummzehe genannt.

Was versteht man unter einem Hallux valgus?
Ein Hallux valgus ist eine Fehlstellung der Großzehe. Dabei weicht die Großzehe im Rahmen einer Spreizfußdeformität nach außen ab. Durch die gleichzeitige Verlagerung des 1. Mittelfußknochens nach innen bildet sich ein Ballen an der Vorfußinnenseite, der massive Schmerzen und andere Probleme verursachen kann.

Wer ist besonders betroffen?
Die Fehlbildung kommt in allen Altersklassen vor, aber nur selten im Jugendalter. Zu über 80 Prozent sind Frauen betroffen, besonders häufig ab 50 Jahren.

Was ist das Problem und welche Beschwerden treten auf?
Die Ursache des Problems liegt meist an der Basis des ersten Mittelfußknochens, das heißt an seiner Verankerung. Wenn hier eine Abweichung zur Fußinnenseite entsteht, vergrößert sich der Winkel zwischen dem 1. und 2. Mittelfußknochen und es entsteht ein Spreizfuß. Das Gefüge aus Sehnen und Bändern gerät aus dem Lot und es bildet sich ein Ballen. Oder die Großzehe selbst sitzt nicht richtig im Gelenk und dreht sich nach innen. Die Patienten haben Schmerzen in Ruhe und/oder beim Laufen, durch den Druck des Schuhs im Bereich des Ballens, auch Entzündungen oder eine Arthrose können auftreten. Einige Patienten sind aber auch schmerzfrei, dann handelt es sich mehr um ein kosmetisches Problem.

Was tun Sie, wenn Patienten mit Fußproblemen zu Ihnen kommen?
Nach einem Gespräch über die Beschwerden des Patienten werden neben den Füßen grundsätzlich immer beide Beine im Stehen, beim Gehen und im Liegen untersucht. Von beiden Füßen werden unter Belastung im Stand jeweils zwei Röntgenaufnahmen von oben und seitlich anfertigt. Anschließend kann ich meist eine Behandlungsempfehlung abgeben.

Wenn die Diagnose Hallux valgus feststeht, wie geht es dann weiter?
Zunächst kann man sehen, ob gut sitzendes Schuhwerk weiterhilft. Einlagen, Bandagen, orthopädische Schuhe können Linderung verschaffen. Gymnastik kann die Beweglichkeit verbessern, den Spreizfuß aber nicht aufhalten.

Und wenn das alles nicht hilft?
Dann kann eine Operation erforderlich sein, um Schmerzen zu mindern und den Fuß ästhetisch wiederherzustellen.

Welche Möglichkeiten der Operation gibt es?
Es gibt verschiedene OP-Techniken, je nach Ausmaß der Abspreizung des Mittelfußknochens oder ob das Gelenk der Großzehe mitkorrigiert werden muss. Häufig wird die so genannte Chevron-OP angewendet, die sich für leichte bis mittelschwere Formen eignet. Dabei wird durch einen speziellen Sägeschnitt das 1. Mittelfußköpfchen abgetrennt und so verschoben, dass die Knochenachsen korrigiert werden. Anschließend wird das Köpfchen zum Beispiel mit einer Titanschraube wieder in der gewünschten Position angeschraubt.
Entscheidend ist es, die jeweils passende OP-Methode für den Patienten einzusetzen, je nach Stadium der Erkrankung. Deshalb ist es auch wichtig, dass die Betroffenen nicht zu spät kommen. Bei der Akin-OP zum Beispiel wird zur Begradigung ein Knochenkeil am Großzehengrundglied entnommen, fixiert wird mit einer Art Klammer, einem Draht oder einer Titanschraube. Zur Korrektur einer Fehlstellung des 1. Mittelfußknochens bietet sich in bestimmten Fällen die Scarf Osteotomie an, bei schweren Fehlstellungen die Basisteotomie, bei der der Knochen verkürzt oder verlängert wird, kleine Platten oder Schrauben eingesetzt werden. Bei Arthrose wird wieder anders operiert, hier kommen auch Versteifung oder ein Kunstgelenk in Frage.

Wie geht es weiter nach der OP?
Operierte Füße neigen dazu anzuschwellen. Eine starke Schwellung vermindert die Durchblutung und begünstigt Wundheilungsstörungen und Infektionen. Deshalb muß der Fuß konsequent hochgelagert und geschont werden. Für zwei Wochen muß meist ein spezieller Verband getragen werden, der die Gelenkkapsel und die Großzehe stabilisiert. Anschließend kann das Operationsergebnis durch eine Hallux valgus Bandage, die sechs Wochen getragen wird, gesichert werden. Patienten können in der Regel nach zwei bis drei Tagen entlassen werden. Wichtig ist es außerdem, die Zehen zu bewegen, eventuell mit Physiotherapie. Durchschnittlich sind die Patienten, je nach Beruf, vier Wochen arbeitsunfähig, ins Büro kann man eventuell schon nach einer Woche, nach drei Monaten ist wieder Sport möglich.

Wie sind die Erfolge bei einer Operation?
Idealerweise erreicht man eine vollständig korrigierte Form des Vorfußes, einen beweglichen Großzeh ohne Schwellung. Ob das Ziel erreicht wird, hängt aber von vielen Faktoren ab, zum Beispiel dem Stadium oder anderen Erkrankungen wie Diabetes oder Arthrose. Das schief stehende Gelenk vermittelt den Eindruck eines Ballens.
Oberarzt Andreas Schmidt hat sich auf Fußchirurgie spezialisiert.(ank)
Quelle: HNA, 18.01.2012